Georg Cracked im Gespräch mit Himaleia, Dreckhaufen mit Aug.

Akustische Kopplungsautomation/ Synthesebereitstellung durch die Herren Grenzfurthner/List.

 

Erzähl mir doch bitte über deine Herkunft, deine Kindheit, deine Abstammung.

Grundsätzlich muß ich diese komplexe Frage mit fundamentaler Unwissenheit beantworten. Ich kann nur die Feststellung des prinzipiellen Existierens machen. Es scheint, als hätte im Zuge bestimmter, für mich uneinsichtiger Gründe, meine Struktur einfach begonnen zu "funktionieren". Im Gespräch mit einigen Beamten des Wiener Magistrats definierte ich diesen Beginn meiner Funktion als "Tropfen, der das Faß zum überlaufen brachte". In der fernöstlichen Mythologie würde man dies wahrscheinlich "sich entfaltender Kranich" nennen. 

Was ist die integrierende Lebensphilosophie eines Dreckhaufens? Erleben Dreckhaufen auch eine Adoleszenz, eine Pubertät? Wie war das bei dir?

Das sind zu viele Fragen auf einmal. Ich mag das nicht.

Bist du entfernt mit der "Allwissenden Müllhalde" der "Fraggles" verwandt? Was hältst du von dieser Prophetin / Weisen?

Mediale Mißgeburt! Ich für meinen Teil exisitiere. Sie muß mir das erst beweisen. Man muß ja nicht jede blöde Ammenmär glauben, die einem im Kinderprogramm serviert wird.

Hast du noch andere Vorschläge, wie der Erziehungsprozeß der Menschen verbessert werden könnte?

Da mische ich mich nicht ein. Der Mensch fristet sein Dasein als planetarer heterotropher aufrechtgehender Säuger und hat da einfach seine ureigenen Probleme. Die will ich nicht lösen. Grundsätzlich bin ich liberal, aufgeschlossenen, aber wie die ihre Bälger großziehen sollen ist wohl ihre Angelegenheit.

Wie bist du zu deinem Namen gekommen?

Die ersten Worte, die ich bewußt wahrnahm waren zufälligerweise "He’s marvellous". In meiner Unkenntnis der Sprachdiversifizierungen verstand ich "Himaleia".

Wie gerietst du in die Fänge der monochrom-Meute?

Das war so. Mein Vorbesitzer war der Würstelmann "Kattolik". Der wollte mich aber nur loswerden. Er wollte mich ständig seinen minderbemittelten Kunden unterjubeln – zuletzt einer Horde kleiner Kinder. Einmal da wollte er mich einmauern. Aber so einfach lasse ich mich nicht unterkriegen. Ein Dreckhaufen hat 1000 Leben. Da bin ich auf und davon – direkt in die Fänge der Religion zur Förderung der selektiven Rezeptionsforschung, die dann meine Lebensgeschichte an den Medien-Multi monochrom verkauft haben. Glauben ist Droge für’s Arbeitervolk.

Aber ist das nicht alles eine geschickt eingefädelte Werbekampagne?

Ok. Vergiß das, was ich eben gesagt habe.

Nehmen die monochrom-Leute auf deine kreativen Triebe und dein Recht auf Selbstverwirklichung Rücksicht?

Man ist als Dreckhaufen, schon von sich aus, sehr eingeschränkt. Natürlich will ich mich weiterentwickeln. Ich züchte zukunftsträchtige Zellkulturen in meinem Inneren. Aber bis da was anständiges ‘rauskommt, das dauert schon seine Zeit – aber die hab’ ich ja. Die monochromer unterstützen das allein durch ihr neben-ihm-sein (also neben mir), indem sie mich akzeptieren, statt mich zu bekämpfen. Ich brauche keine Liebe sondern Sicherheit.

Bist du mit der Behandlung durch die MMm zufrieden oder gibt es Dinge, die verbessert werden könnten?

Nein. Solange sie mich nicht an die Humboldt-Universität, nach Seibersdorf oder in die Harald Schmidt Show schleppen ist mir das alles vollkommen egal. Und auch nicht nach Bali. Da ist es heiß und feucht. Da verrotte ich schneller. Als Thomas Cook, der Ende des 18. Jahrhunderts als Beamter die Koordination von Britschen Militärtruppentransporten per Bahn überwachte, seine Fähigkeiten in einer kommerziellen Unternehmung anwandte, konzipierte er eine neue Form des Geschäfts. Den Tourismus. Derzeit beläuft sich diese Industrie auf einen jährlichen Umsatz von 3 Trillionen US-Dollar.

Magst du den Tourismus?

Er ist der schleichende Meuchler.

Was hältst du von der Tätigkeit der MMm?

Hast du vielleicht ein paar konstruktive Vorschläge zur Verbesserung?

Bei mir ist Toleranz alles. Aber mit ein paar Sachen, die sie machen, bin ich nicht so einverstanden. Zum Beispiel sind sie mir nicht ernst genug - da ist doch immer alles lustig. Soll das Kunst sein? Das ist Spaßhermetik. Weißclownesque. Naja. Sollen die doch machen was sie wollen. Mir muß es ja nicht gefallen.

Was sind deine hauptsächlichen Tätigkeiten? Wie bekämpfst du die Einsamkeit?

Eine typisch menschliche Frage. Ihr tut mir leid.

Bitte konkretisiere das.

Du weißt schon ganz genau, was gemeint ist. Aber bitte: Ich fühle mich nie einsam, und ich muß mich auch nie durch stupide Tätigkeit von den Fragen meiner Existenz ablenken. Wenn man Meditation als Tätigkeit ansehen will, dann können wir uns darauf einigen, daß das meine hauptsächliche Tätigkeit ist – ist aber meiner Ansicht nach nicht richtig. Meditation ist das Gegenteil von Tätigkeit. Es ist die Nicht-Tätigkeit oder das Aufgehen in der Nicht-Tätigkeit. Hast du wirklich geglaubt, daß ich ein Hobby habe? Woran hat du da gedacht? Puzzeln oder Schach oder Radfahren oder Nintendo 64 oder was? Oder hast du gemeint, welcher Arbeit ich nachgehe, um es mir auch leisten zu können irgendwo in einer Ecke ‘rumzufaulen’? Ich finde das highly illogical. Gelegentlich sehe ich fern.

Das klingt als wäre deine Existenz rein rezeptiv. Dies würde zum einen zwar deinen Aufenthalt im Kreis des Vereins (oder der Religion) für selektive Rezeptionsforschung ad futuram erklären, zum anderen geben aber Menschen nie etwas über längere Zeit ohne nicht etwas dafür zu bekommen. Also entweder gibst du etwas oder eure Beziehung wäre bald vorbei. Was gibst du oder hast du nun Existenzangst?

Simpel ausgesprochen bejahe ich meine Anwesenheit auf Erden, obwohl ich sowas wie einen Selbsterhaltungstrieb noch nicht feststellen konnte. Ich bestehe zu 70 Prozent aus anorganischen Stoffen. Bin entschieden gegen die Mülltrennung. Das ist Augenauswischerei.

Die Unterschiede zwischen Menschen und einem Dreckhaufen vergrößern sich auf faszinierende Weise. Kannst du uns Deine emotionale und philosophische Befindlichkeit schildern?

Soviel Unterschied ist gar nicht zwischen dem Menschen und dem Dreckhaufen. Mir fällt da ein sehr passendes Zitat ein. Es geht etwa so: Ihr seid Zufall, Scheiße, Nichts, das sich zum Gesetz aufwerfen will ... oder so. Ich weiß nicht mehr genau, wie es gegangen ist. Jedenfalls: Zufall, Scheiße, Nichts – das heißt Bourgeoisie. 

Das ist von Antonin Artaud!

Mich beeindruckst du nicht.

Erleben Dreckhaufen auch eine Adoleszenz, eine Pubertät?

Wie war das bei dir?

Grundsätzlich bin ich ja aus Gründen meines sehr introvertierten Aufbaus nie wirklich sozialisiert worden. Aus diesem Grunde gibt es auch keine Angriffspunkte - sagen wir mal Janosch-Bücher (*) - gegen die ich mich hätte auflehnen können. Ich bin durch meine physische Konstruktion an sich schon dissident. Ich habe nichts gegen den Ausdruck Strukturrevoluzzer. Außerdem bin ich geschlechtslos. Ich vermehre mich vegetativ, wie bereits angesprochen. Das erspart mir Schminke.

Was waren die wichtigsten Stufen oder Erfahrungen in deiner Entwicklung? Wie wird die Zukunft aussehen?

Ich kann derzeit meine Entwicklung nicht einschätzen, da mir mangels Vergleichsmöglichkeiten mit ähnlichen Lebewesen ein Rahmen fehlt. Es wird schon irgendwie weitergehen. Aufgrund fehlender Mechanismen sehe ich sowieso alles schwarzweiß. Es braucht mir also niemand mit der bunten Vielfalt der Natur kommen. 3D-Sicht ist mir ja auch nicht gegeben. Egal.

Träumst du manchmal von einem/r gleichartigen Gefährten/in?

Hör’ mir doch endlich mal zu, Menschlein!

Was ist die integrierende Lebensphilosophie eines Dreckhaufens?

Geschichtlich betrachtet kann ich mich nur mit Thomas von Aquin vergleichen.

Kannst du dies etwas elaborieren?

Hmmm. Das Sein ist das alles Durchdringende, jenseits dessen nichts mehr ist. Alles Erkennen des Menschen hält sich im Sein genauso wie alles Fragen. Auch das Leben in der alltäglichen Welt vollzieht sich immer im Horizont des Seins. Ständig reden wir darüber, daß etwas ist oder nicht ist. In allem Handeln geht es darum, was noch nicht ist werden zu lassen, d.h. ins Sein zu bringen oder es vergehen zu lassen, d.h. aus dem Sein herausstoßen. So ist Sein für uns das "Allerbekannteste" (Thomas von Aquin, 1225-1274). Darum meinen wir oft, es sei nicht weiter notwendig, über Sein und Seiende nachzudenken. Versuchen wir uns aber darüber Rechenschaft abzulegen, was wir meinen, wenn wir vom "Sein" sprechen, so bemerken wir sehr bald, daß wir in Schwierigkeiten geraten. Auf diesen Sachverhalt hat schon Platon (427-347 v. Chr.) aufmerksam gemacht: "Denn offenbar seid ihr doch schon lange mit dem vertraut, was ihr eigentlich meint, wenn ihr den Ausdruck »seiend« gebraucht, wir jedoch glaubten es einst zwar zu verstehen, jetzt aber sind wir in Verlegenheit gekommen." Reicht das?

Welches ist Dein Zugang zur abendländischen Philosophie?

Der übliche.

Konsumierst du etwas?

Das kann ich getrost verneinen. Ich lebe von dem, was andere als nicht konservierenswert ansehen – was aus dem Kreislauf des Konsumismus ausscheidet, und von dem, was nie den Gesetzen von Angebot und Nachfrage unterworfen war. Ich bin, biologisch betrachtet, autophag. Außerdem, wie ein altes Wienerlied sagt: Ohne Göd lebt si’s vü bessa, wö ma kans valian ko. 

Ich denke, es war Ostbahn Kurti, der sowas ähnliches gesungen hat. Wie ist dein Verhältnis zur Populärkultur/-musik?

Mein Zitat wurde scheinbar als "Lokalkolorit" mißgedeutet. Das war nicht beabsichtigt. Was die Populärkultur betrifft. Ich bestehe aus ihr. Ich konnte aber - und dafür bin ich dankbar - diese Grenzen überwinden. Mein Gehör ist nicht so ausgeprägt.

Und weil wir gerade dabei sind und du es vorhin auch angesprochen hast – was siehst du im Fernsehen am liebsten?

Zum Beispiel die Space Night im Bayrischen. Die potthäßliche Angela Lansbury jagt mir auch immer wieder einen wohligen Schauer durch den Faserfilz.

Ist Dein Leben eher ein kunstvolles Mosaik oder eine Kinder-Laubsägearbeit?

Dieser Vergleich fällt mir schwer. Wenn mein Leben einem der beiden Varianten gliche, dann gäbe es folgerichtig einen Schöpfer. Den kann es aber nicht geben. Das kann ich schon mit 100%-iger Sicherheit sagen. 

Das würde jetzt Thomas von Aquin aber nicht gefallen.

Muß ich’s immer allen Recht machen?


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(*) In einem unaufgezeichneten Talk mit Uli Troyer nennt Himaleia aber dennoch einige Wochen später einen Einfluß. Er äußert sich sehr wohlwollend über Janoschs "Die Tigerente und der Frosch" (Diogenes Hosentaschenbuch von 1988) und nennt zwei Lieblingstiere.

 

HIMALEIA,
DRECKHAUFEN MIT AUG


 

"When you’re smiling, the whole world smiles with you. Zumindest wenn ich Gesicht und Gesichtsmuskulatur hätte."
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Info nur so:
Cracked
PF 107, A-1061 Wien.
Webduldung unter: http://www.monochrom.at/cracked/
Die Cracked Publikationsgemeinschaft (all voran Georg, der Rächer) bezeichnet sich selbst nicht. Gut so. Dafür gibt es in Teneriffa die Teneriffa-Bananen, die etwas kleiner als die normalen Bananen aber süßer sind. Da ihr Anbau auch teurer ist als bei karibischen Bananen, sind sie nur in Teneriffa erhältlich, und sonst praktisch nirgends. Früher waren sie auch in Südspanien erhältlich aber aufgrund von neuen EU-Regelungen können sie nun auch nicht mehr dorthin exportiert werden. Cracked ist beständig, wendig und riecht nach Xerox. Ein Königreich für die Hegemonie.