Österreichischer Beitrag zur Biennale Sao Paulo 2002


<Yes, Sir, I can network it out, Sir!>
<Smells like team-spirit, Sir!>
<We are the World, we are the Children, Sir!>

Zweite Presseinformation:

Österreich wird bei der 25. Biennale Sao Paulo 2002 durch den Künstler Georg Paul Thomann vertreten dessen Projekt "<Yes, Sir, I can network it out, Sir!> <Smells like team-spirit, Sir!> <We are the World, we are the Children, Sir!>" sich kritisch mit dem Ausstellungsthema "Metropolitan Iconographies" auseinandersetzt. Im Einvernehmen mit Kuratorin Zdenka Badovinac hat Thomann dazu vier junge österreichische KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen (monochrom, Tonki Gebauer, 320x200, Richard Wientzek) eingeladen, mit ihm die Ausstellung zu gestalten.

Im Zentrum der Installation steht Georg P. Thomanns Bildinstallation "Selfportrait as Austria’s Highest Mountain (I’m Winning My Religion)": vier Bildtafeln, die die vier Seitenansichten des Großglockners malerisch darstellen. Auf ausliegenden Ski-Panorma-Karten wird die jeweilige Topografie dieser vier Ansichten erklärt. Innerhalb dieses Karrees entsteht eine "Sakristei", in dem sich ein Tabernakel mit der "Seele" des Künstlers befindet. Über ein Straßennetz ist der Berg "Thomann" mit 4 "Gemeinden" verbunden, den jeweiligen Repräsentationen bzw. Einzelausstellungen der von Thomann kuratierten jungen österreichischen KünstlerInnen bzw. KünstlerInnengruppen. Es sind dies die Tourismus-Zentren "Sankt (Sao) monochrom", "Sankt (Sao) Tonki Gebauer", "Sankt (Sao) 320x200" und "Sankt (Sao) Richard Wientzek". An den Wänden des Ausstellungsraumes sind die vier Gemeinden als kulturelles Angebot zu begreifen, die Gemeinden geben sich "modern" und "urban": sie strotzen förmlich vor kulturellen Anabolismen. Die Einzelausstellungen sollen für sich stehen und doch im Schatten des enormen Großglockner-Thomann. And I love it, Sir!


Manifest der teilnehmenden KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen:

Schlagen Sie einmal das Buch der Kunst auf: Berge wurden immer, gerne und zahlreich gemalt. Häufig als aufgehäuftes/aufgeschüttetes Subjekt. Das Kant’sche Erhabene at work. Gestrotze im Abendlicht. Das braucht uns nicht, ist einfach da, überdauert auch das nächste Äon. Berg bedeutet bedeuten ohne zu deuten. Reden ohne zu sprechen. Schreien ohne Maul.
Thomann hat bereits 1994 gesagt, dass sein Werk "sein Butterberg" sei. Die Verwaltung des strukturellen Immer-Zuviel. Der Raum, den Thomanns Schaffen akquiriert, ist der Abraum. Die Halde.
Das Reden vom Knüpfen der Netze flicht dem Bestehenden nur neckische Zöpfchen ins Haar. Das ist doch zeitgenössisches Management bzw. Management des Zeitgenössischen.
Das ist "Netzwerk", der Imperativ der Verhältnisse. Sesshaftigkeit, die sich ausbreitet wie überschüssiges Körperfett. Nicht Vernetzung.
Vernetzung negiert prinzipiell Transzendenz, Draufsicht, Struktur, Zentrum, Gesetz.
Vernetzung schafft "postmoderne Beliebigkeit", von der es nie genug geben kann.
Die von monochrom, Tonki Gebauer, 320x200 und Richard Wientzek im Auftrag von Georg Paul Thomann erarbeitete Installation versteht sich als kritisches Suhlen im Netzbegriff des sich vernetzen-sollenden Kapitalismus, seiner Kunstschergen, seines Krisenmanagements als Eventmanagement, seines Innovationsbegriffs, seiner Vergewaltigungs- und Allmachtsphantasien. Und wirft trotzdem einen wehmütigen Seitenblick auf seine wintersportortartige Schönheit!
Berge und Gemeinden. Berge und Gemeinden. Gemeinden und Berge. Berge und Gemeinden.
Berge werden z.B. von FreundInnen des Wintersports einigermaßen frequentiert. Für so ein paar 1000 Meter meeresspiegelaufwärtsmäßiges Prangen wird das 100-, ja das 1000fache an Weg zurückgelegt. Am Berg wird sich gebündelt. Geschwungene Lifttrassen steigen sanft berauscht hinan wie eine Erregungskurve. Schicksalsträchtigkeit schaut weit übers Land. Oder auf ihresgleichen.
Das relevante Problem: das pseudo-postmodernistische Gerede vom "Netz/Vernetzen" überdeckt und überschreibt dasjenige am Prinzip des Vernetzens, was daran wichtig und neu war (und bis auf weiteres auch wichtig und neu bleiben wird), mit alten und abgeschmackten, petrifizierten Bedeutungen.
Thomann inszeniert sich als Berg; an seinem Aufragen, seinem auto-religiösen Delirium laufen die Tendenzen der Gegenwartskunst  dargestellt von der in vier goutierbare Häppchen portionierten jungen Kunst Österreichs  zusammen. Sie laufen auch auf. Sie prallen zurück. Sie leben von ihm, dem wahrzeichenhaften Panorama, dem Superzeichen der Gegend. Sie leben mit ihm.
Der Thomann-Großglockner erlaubt zahlreiche Aktivitäten: Jausenstationen laden auf ihm ein, leichtes Bergwandern ist ebenso möglich wie extremes Free-Climbing. Er ist die graue Lunge der Umgebung. Thomann (aner)kennt innerhalb der bekannten Grenzen keine Grenzen. Sein Schatten fällt auf alles, weit hinaus ins Gelände.
Er ernährt die Gemeinden, trennt sie und schweißt sie doch zusammen. An ihm brechen sich die ausgesandten Signale und hallen als klischeehaftes Echo zurück.
Thomann-Großglockner oszilliert hiermit offiziell auf allen Hochzeiten von Ambiguität und Indifferenz, wenn Sie den Jargon verstehen!
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt und der Berg nicht zum Propheten, weil sie ja sowieso ident sind, gibt das ein hervorragendes Stelldichein.
"Geologische Verwerfungen" ist nicht nur die beurkundete Entstehungsweise von "Berg", sondern auch eine Formulierung, die in der Kunst seit 1993 fröhliche Urstände feiert. Wir feiern mit!
>> monochrom, Tonki Gebauer, 320x200, Richard Wientzek


>>ZITIERFÄHIGES MATERIAL<<

Über die Türme hinweg und in die Zeitungsständer dieses Österreich hinein.
10 programmatische Pressehäppchen zu meiner-unsrer-eurer Installation.
Manifest von Georg Paul Thomann vom 15. 12. 2001

Ich, Georg Paul Thomann, österreichischer Künstler der ersten Stunde und kein Freund großer Worte, behaupte im Vorfeld der Installation "<Yes, Sir, I can network it out, Sir> <Smells like Team-Spirit, Sir!> <We are the world, we are the children, Sir!>" das Folgende gesagt zu haben:

1. "Ich hatte da seit langem schon so eine schmutzige, aber gerade darum ja geile Lust auf so eine zünftige Kasernenhofromantik. Drill im Sinne eines Fassbinder-Films über Drill und Moral. Ich bin der Berg hier, ganz klar! Die göttliche Geröllhalde. Der in seine Majestizität traurig eingesunkene Haufen. Das Transsubstanativ: Die Steinwerdung des Fleisches. Transcendent wie das erigierte Glied vom Hegel." (Georg P. Thomann: Punkt 1 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

2. "In der Installation bin ich ja schon rein altersmäßig das Massiv. Ich könnte ja denen ihr Vater sein. Von daher verstehe ich mich bei diesem Projekt als vernunftmäßig formulierte Autorität, aber auch als >>einsame Höh'<<. Dafür sind die jung. Unverbraucht und rosig wie sie da daherkommen mit ihren Ideen und Körpern. Diese noch-unüberschaubare Lebensdauer! Diese noch vollkommene Offenheit des Biografischen! William Somerset Maugham hat darüber geschrieben. Diese sagenhafte, unbegrenzbare Sexualität! Also da bin ich neidig, da darf ich's sein. Dafür bin ich groß. Verdammt groß. 3798 Meter groß." (Georg P. Thomann: Punkt 2 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

3. "Ich mach doch hier nicht den international parkettfähigen Rhizom-Fuzzi für die schwarz-blaue Scheiße hier! Die kriegen einen Scheißdreck eine Anschlussfähigkeit! Die können sich ihren Laptop in die Lederhose stecken! Die kriegen Berge, Aufgeblasenheit und Alter Hasen-Köttel. You are what you eat!" (Georg P. Thomann: Punkt 3 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

4. "Ich habe eigentlich Nomade gelernt!" (Georg P. Thomann: Punkt 4 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

5. "So wie der Warhol eben der Dosen-Warhol ist, bin ich halt der Arschloch-Thomann." (Georg P. Thomann: Punkt 5 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

6. "Berg heißt im Prinzip ja Urlaub oder Fernsehen. Man sucht sich praktisch schon zuhause aus, welchen Berg man will." (Georg P. Thomann: Punkt 6 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

7. "Kunst sollte wieder mehr wie Reinhold Messner sein dürfen, finde ich." (Georg P. Thomann: Punkt 7 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

8. "Der eigentliche Gedanke kam mir, als ich gerade Musikantenstadl sah. Das ist ja immer sehr interessant! Berge der Sehnsucht und des Schweigens. Mir war klar, dass ich, wenn ich in Sao Paolo aus dem Flieger steig', immer noch Österreicher bin. Und dafür wollte ich mich monumental, exemplarisch, divenhaft und dick aufgetragen schämen." (Georg P. Thomann: Punkt 8 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

9. "Während meines Studiums habe ich, was kaum einer weiß, mich durch das Malen von Ski- und Wander-Panorama-Karten über Wasser gehalten. Wenn sie z.B. 1976 nach Hintertux gefahren sind, da ist da ein echter Thomann gehangen. Signiert rechts unten, aber einigermaßen unleserlich. Insofern ist das wohl richtig, was man immer sagt: dem Thomann sein Werk ist heterogen. Aber heute muss ich sowas natürlich nicht mehr machen. Heute sag ich zum Richard: >>Richard, pass auf, mach mir mal Eiger-Nord. Öl. Hochformat. Mittelverschwommen!<<." (Georg P. Thomann: Punkt 9 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

10. "In einem gesunden Geist wohnt auch ein gesunder Körper!" (Georg P. Thomann: Punkt 10 des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

P.S.: "Schreiben Sie bitte: man liebt mich oder man hasst mich!" (Georg P. Thomann: Postscriptum des Manifestes "Zitierfähiges Material". Wien 2001.)

Unterzeichnet: Georg Paul Thomann, der Ältere


Biografische Information über Georg Paul Thomann und die teilnehmenden KünstlerInnen/KünstlerInnengruppen:

Georg Paul Thomann
Geboren 1945 in Vorarlberg. Kunststudium in Wien ab 1963. Danach verschiedene künstlerische Projekte in Wien. Von 1964 bis 1980 lebt und arbeitet er in Berlin, Paris, München, Palo Alto/Kalifornien, New York, London. 1980 kehrt er nach Wien zurück. Thomann arbeitet in den verschiedensten künstlerischen Kontexten, unter anderem als Konzept- und Performancekünstler, Maler, Fotograf, Videokünstler, Musiker. Er erhält mehrere Stipendien, Preise und Ehrungen. Er unterrichtet zeitgenössische Kunst an verschiedenen Kunsthochschulen. Als Autor beschäftigt er sich in verschiedenen Werken mit künstlerischen und sozialpolitischen Themen (neueste Erscheinung: "Die Konflikt-Masche", edition selene, Wien 1999).
http://members.chello.at/g.p.thomann/

monochrom
Cross-Culture-KünstlerInnengruppe
Die "Medienmogulerie" (Eigendefinition) monochrom ist ein Publikations-Kunst-Theorie(-Cocooning)-Bastel-Kollektiv mit Hang zum Aktionismus, Sitz in Wien. monochrom wurde 1992/93 gegründet und arbeitet in den verschiedensten künstlerischen und popkulturellen Bereichen. monochrom publiziert ein Jahrbuch-Magazin ("monochrom: ein ontologisches sanierungsportfolio"), produziert Kurzfilme, fungiert als Herausgabe- und Zerstörungsorgan von Musik und Websites. Experimentelle Arbeiten in den Bereichen Elektronik und Robotik. Verschiedene Ausstellungen, Auftritte und Interventionen. monochrom spielen die Inkompatibilitäten psychischer und virtueller Codierungen witzig, ironisch und melodramatisch gegeneinander aus.
http://www.monochrom.at/

Tonki Gebauer
Geboren 1972 in Leoben/Österreich. Schon als Kind lernt er Altsaxophon, zur selben Zeit Experimente mit Analog-Sampling und Mehrspuraufnahmen. Nach seinem Schulabschluss arbeitet er als freiberuflicher Komponist und Musiker im Funk Jazz sowie in den Bereichen zeitgenössische und improvisierte Musik. 1998 gründet er "Edition Elektroklast", gefolgt von seinem Label "Resolve Ungeheuer" im Jahr 2000. Tonki Gebauer arbeitet als Programmierer und Web-Designer. Zur Zeit gilt sein künstlerisches Hauptaugenmerk der elektronischen Musik sowie der Erstellung von Instrumenten/Objekten zur Tongenerierung. Projekte im Bereich Computer-Kunst.
http://tonki.lo-res.org/

320x200
Die KünstlerInnengruppe 320x200 operiert als soziale, politische und technische "Interventionszelle" seit 1995. Der Name, ein sehr kleiner Bildschirmauflösungs-Modus, steht für "lo-tech lo-fi" Interventionen im öffentlichen und virtuellen Raum. Neuere Arbeiten beschäftigen sich mit der aktuellen politischen Situation in Österreich und Globalisierung.
http://320x200.cjb.net/

Richard Wientzek
Geboren 1970 in Breitengüssbach/Bayern. Arbeitet als visueller Künstler, Sänger und Designer. 1996 übersiedelt er nach Wien, 1998 nach Schwanenstadt bei Wels (OÖ). Verschiedene Ausstellungen und Performances in Österreich und Deutschland. Aktuelle Projekte beschäftigen sich mit dem "Resoulment" der Malerei.
richard.wientzek@gmx.net